Glossboss testet: Kratzfestigkeit von Quarz basierten Versiegelungen was steckt hinter den versprechen der Hersteller? (UPDATE nach 9 Tagen!)

Glossboss testet: Kratzfestigkeit von Quarz basierten Versiegelungen

von Ronny

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Glossboss testet: Kratzfestigkeit von Quarz basierten Versiegelungen

#Glossboss testet: Kratzfestigkeit von Quarz basierten Versiegelungen

Quarz (SiO2=Silizium) basierte Versiegelungen sind in den letzten Jahren der große Trend, wenn es um den professionellen Lackschutz geht. Jeder bekannte Hersteller hat mindestens eine SiO2 Versiegelung im Programm und jeder behauptet von seiner, sie sei besser, härter und hält am längsten. Als Argumentationshilfen werden chemische Begriffe verwendet, Schlagwörter wie "ultra hard", "glass coat" oder "hardest quartz based coating" beworben und sogar die MOHS Skala (Erklärung hier bei Wikipedia) herangezogen.

Ist das wirklich so? Können wir den Herstellern dazu unseren Glauben schenken? Werden hier vielleicht auch nur schnelle Trends mit Versprechen gepusht, die in der Theorie vielleicht stimmen aber in der Praxis ganz anders aussehen? Glossboss testes es für Euch. Ungeschönt, ehrlich und ohne Interessenskonflikte da wir werbefrei sind.

Tag 1

Los gehts. Die Kratzfestigkeit habe ich natürlich nicht auf dem eigenem Lack getestet, sondern mir dafür eine alte Haube vom Schrott besorgt, die vor dem eigentlichen Test erst gut vorbereitet werden musste.

Vor dem Polieren wurde die Haube kurz mit einer kleinen ONR Wäsche vom Staub befreit und abgeknetet.

Damit die Kratzfestigkeit auch getestet werden konnte, musste das Lackbild erst einmal gleichmäßig aufgearbeitet werden, denn hier hätte man wahrscheinlich nicht viel erkennen können.

Nach 10 Messungen hatte ich eine durchschnittliche Lackdicke von 118µm.

Dies war ausreichend um hier einmal mit einer 3000er Abralon Scheibe den Lack per Nassschliff von den feinsten Spuren zu befreien und diesen dann gezielt wieder auf Hochglanz aufzupolieren. Die tieferen Kratzer sowie Steinschläge konnten bleiben, denn die waren für den Test unerheblich.

4 Kreuzstriche und viel Wasser brachten ein leicht mattes Lackbild zum Vorschein...

...welches danach mit 2 Durchgängen und je 5 Kreuzstriche wieder aufpoliert wurde. Den Bereich für den Kratztest habe ich mir hier schon einmal grob mit Abklebeband markiert.

Eine weitere Runde Hochglanzpolitur lies den Lack dann wieder erstrahlen.

Bevor es dann endgültig mit den Versiegelungen los ging, wurde der Lack noch gründlich entfettet.

Das endgültige Testfeld habe ich dann auch noch in 3 x 2 Felder unterteilt, in etwa so:

| 1x Schicht | 3x Schicht | | :-------------: |:-------------:| | Gyeon MOHS | Gyeon MOHS| | CQuartz UK | CQuartz UK| | Gtechniq EXOv2| Gtechniq EXOv2|

3 Felder aufgrund der 3 verschiedenen Versiegelungen. Jede Versiegelung hat 2 Felder bekommen, wovon je 1x und 3x geschichtet wurde. Im Vorfeld wusste ich ja noch nicht, wie der Test ausfallen würde, daher wollte ich mit 2 Testfeldern auf Nummer sicher gehen und konnte so auch gleich testen, ob mehr Schichten mehr Kratzschutz bedeuten.

Gyeon schreibt es sogar in seine Anleitung mit 3 Schichten. Bei den beiden anderen Herstellern wird je eine weitere Schicht empfohlen.

Mit dem Versiegeln wurde oben im Testfeld mit dem MOHS angefangen...

...in der Mitte das CQuartz UK...

...und unten das EXO. Jeweils eine Schicht zu Anfang.

Die Anleitung von Gyeon ist sehr ausführlich und hier stand sogar etwas von der Trocknung mit Infrarotlampen. Damit der Test im Nachhinein keine Angriffsfläche für Anwenderfehler bietet,..

...habe ich mir eine besorgt. Ok, ist jetzt keine "Profi-Super-Coating-Drying-Sun-3000" sondern nur eine kleine 150W Lampe für den Hausgebrauch bei körperlichen Beschwerden. Meiner Meinung nach erfüllt die auf dem Lack in Relation betrachtet ihren Zweck mehr als sehr gut.

Die versiegelten Felder sind gerade einmal 30 x 15cm und in einem Abstand von ca. 25 cm war die Wärmeentwicklung schon sehr groß.

Jedes Feld hat wie nach der Gyeon Anleitung beschrieben, 10min Bestrahlung bekommen.

Nach 6x 10 Minuten war eine Stunde vorbei und die Versiegelungen wurden auf den "3x" Feldern weiter geschichtet.

Das Ganze wieder je Feld 10 Minuten trocknen lassen.

Den letzten Durchgang habe ich jetzt nicht mehr dokumentiert. Am Auftragen, Abtragen und Trocknen hat sich auch beim 3. Mal nichts geändert. Tag 1 des Tests währe damit auch abgeschlossen. Den Versiegelungen gewährte ich die nächsten 24 Stunden noch etwas Ruhe, bevor es an den eigentlichen Test ging.

###Tag 2

Am nächsten Tag und der vollständigen Trocknung der SiO2 Versiegelungen wurden dann die Abklebebänder im Innenbereich entfernt. Dies hat beim eigentlichen Kratzertest den Vorteil, dass auf einem kleinen Bereich drei Lackzustände vorhanden sind. Von links nach rechts --> 1x geschützt / unter dem Streifen ungeschützt / 3x geschützt.

Hier kann man die Grenzbereiche als Kreuz recht gut sehen.

Und hier noch etwas besser. Die "Kannten" habe ich so stehen lassen, damit man beim Testen die Übergänge gut sehen kann.

Kommen wir nun zum eigentlich Test. Die große Frage im Vorfeld die ich mir stellte war, wie man am gleichmäßigsten und in der Wiederholung auf den anderen Feldern Kratzer erzeugen kann?! Genormtes Schleifpapier lag mir zum Testzeitpunkt leider nicht vor also musste der gute alte Küchenschwamm herhalten. Manch einer soll ihn ja schon mal zum Insekten entfernen verwendet haben, daher ist er evtl. etwas realitätsnäher. :-)

Mit der Hand wäre das Ergebnis aber zu ungleichmäßig geworden, da Kraft, Druck und Geschwindigkeit nicht konstant steuerbar sind. Etwas maschinelles musste also her. Ein Akkuschrauber! Wie zieht man den Schwamm jetzt über den Lack? Mit einem Seil über den eingespannten Handgriff als Umlenkung und als Beschwerung noch eine Dose mit 500ml Wasser. Einfach, Gut, Perfekt!

Über die einzelnen Bahnen der Versiegelungen wurde das Gewicht nun 3 Mal gezogen. Start war auf dem Feld mit 1x Produkt, weiter über den zuvor unversiegelten Streifen und schlussendlich noch über das Feld mit 3x Produkt.

Nach der ganzen Prozedur habe ich erstmal ein paar Bilder der feinen Kratzer gemacht. Sie sind wirklich nur in einem bestimmtem Winkel zum Licht zu sehen gewesen, ähnlich der bekannten Swirls.

Um die Bilder im Nachgang besser zuordnen zu können, klebte ich kleine Markierungen auf: M = MOHS

C = Cquartz

E = EXO

Was gleich mit dem blosem Auge auffiel war, dass die feinen Kratzer sehr gleichmäßig und auf allen drei Bereichen (1x / Streifen ungeschützt / 3x) nahezu identisch aussahen. Auf den folgenden Bildern ist daher immer der Übergang vom ungeschützten Streifen (links) zu 3x versiegelt (rechts) zu sehen. Um den 1x versiegelten Bereich habe ich mich nicht mehr weiter gekümmert und auch keine Bilder gemacht, da ich von diesem Ergebnis jetzt schon etwas überrascht war, zu ungunsten der so hochgelobten Versiegelungen.

Hier sieht es sogar etwas so aus, als ob der versiegelte Bereich rechts der leicht zu sehenden Kante etwas mehr Kratzer hat. Durch den Lichteinfall wirkt das aber nur so. Hätte ich ein Bild von einem weiter links gelegenem Blickwinkel gemacht, würde es anders aussehen.

Da wir Glossbosse es ganz genau wissen wollen und alle uns zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten nutzen, wurde folgendes Bild mit einem Makro Objektiv aufgenommen und in dem kleinen Bereich noch weiter vergrößert. Hier sieht man wunderbar und deutlich, dass die Kratzer schön über die unversiegelte/versiegelte Grenze hinaus gehen und in gleich bleibender Stärke sich auch in die Versiegelung ziehen.

Hier könnte man auch meinen, dass der eine Bereich rechts der Kante ohne deutliche Kratzer verschont geblieben ist. Aber auch hier liegt es am Lichteinfall. Die Kratzer gehen überall durch bis in die Versiegelung.

Weniger Kratzer beim EXO waren leider auch hier nicht der Fall. Es sieht hier nur so aus und man könnte sogar fast meinen, dass in der versiegelten Fläche rechts etwas mehr sind. Man muss dazu auch sagen, dass die Kratzer wirklich schwer zu fotografieren sind und man die nur mit dem parallel verlaufendem Lichteinfall einfangen konnte.

Hier noch einmal eine Makroaufnahme mit vergrößertem Teilbereich. Wie die Bilder zuvor auch schon; links = unversiegelt / rechts = 3x versiegelt. Die Kratzer ziehen sich durch und die Versiegelung bietet offensichtlich keinen deutlichen Schutz davor.

Die letzten Bilder der Aktion hier sind mit einem USB Mikroskop gemacht. Die Bildqualität ist leider nicht die beste, dafür ist die Vergrößerung noch einmal deutlich höher und bietet einen anderen Blickwinkel auf die Kratzer:

###Mein persönliches Fazit

Tja, ihr seid jetzt wahrscheinlich genauso überrascht wie ich. Vielleicht steht Ihr meinem kleinen Test auch etwas kritisch gegenüber und wollt das nicht so recht wahrhaben. Klar werden die größten Kritiker, gesponserte Forenbetreiber oder Hersteller jetzt aufschreien und sagen, "die Kratzer sind ja "nur" in der Versiegelung." Aber mal ehrlich, was für ein Sch**** wäre das denn bitte?! Man bereitet sein Auto auf und versiegelt für den maximalen Schutz mit einer teuren "Hard-Glass-Coat-Nano-Super-Protect" um dann beim nächsten unsachgemäßen Abstauben des Autos die Swirls in der Versiegelung statt im Lack zu haben? Wenn einige Hersteller mit diesen Eigenschaften werben, dieser aber nicht erfüllen, ist das sehr irreführend. Das zeigt auch mal wieder auf, dass man sich auf unabhängigen Plattformen sein eigenes Bild von solchen Produkten machen sollte.

Ich möchte an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen, dass nicht alle Hersteller mit Kratzfestigkeit werben. Gtechniq mit seinem EXO schreibt dazu gar nichts auf der Homepage, was mir sehr sympathisch ist. CarPro mit seinem Cquartz UK lässt aufgrund der beworbenen Eigenschaften die Vermutung aufkommen, dass die Versiegelung kratzfest sein könnte. Gyeon ist der einzige der getesteten Hersteller, der aktiv damit wirbt mit der Versiegelung "extremely resistant to scratches" zu sein.

Mit meinem Test möchte ich auf keinen Fall die verwendeten Produkte schlecht darstellen. Jedes einzelne habe ich bereits mehrfach ausprobiert und immer wieder für gut befunden, wenn es um Eigenschaften wie Standzeit, Glanz und Abperlverhalten geht. Auch in Zukunft werde ich die drei Produkte auf meinem Auto und für Aufbereitungen verwenden, da sie meiner Meinung nach zu den besten Produkten auf dem Markt gehören. Einzig was die Kratzfestigkeit angeht, wurde ich mit dem kleinen Test eines Besseren belehrt.

Welche Erfahrung habt Ihr mit vergleichbaren Versiegelungen und Kratzern gemacht? Diskutiert mit uns dazu auf Facebook.

Bis dahin, Grüße aus Dortmund

Ronny alias chiller

#UPDATE 9 Tage später

Eure Resonanz sowie Reaktionen und Kommentare waren enorm, vielen Dank dafür. Eure Bemerkung, dass die Versiegelung erst nach 7 Tagen richtig ausgehärtet sei, nehmen wir natürlich gerne an und haben es daher nach weiteren 9 Tagen wieder getestet. Der Kratztest wurde wie ursprünglich durchgeführt, diesmal jedoch 90° versetzt zu den alten Kratzern.

###Gtechniq EXO

Die kleinen Markierungen sind auch hier wieder für eine besseren Zuordnung mit auf dem Bild.

###CarPro CQuartz UK

Die Kante des unversiegelten (links)/versiegelten (rechts) Bereichs läuft direkt unter dem "C" entlang. Auch hier ist heute keine verminderte Kratzunempfindlichkeit zu sehen.

###Gyeon MOHS

Auch hier ist die Kante wieder direkt under dem "M".

Was man hier schön sieht und bei allen drei getesteten Kandidaten vergleichbar gut war, ist die Lackglätte. Links im unversiegelten Bereich wirkt die Oberfläche unebener. Auf der rechten mit MOHS versiegelten Seite wirkt es wie poliert. Doch leider sind auch hier nach 9 Tagen wieder Kratzer drin.

Und? Was sagt Ihr nun? Intern haben auch wir viel darüber diskutiert und ich denke am Ende steht ein Ergebnis fest, welches von mir nicht weiter kommentiert werden muss. Der Kratztest wird in vergleichbarer Form auf jeden Fall mit anderen Produkten noch einmal wiederholt. Welche es genau sein werden, wissen wir noch nicht genau. Ihr könnt uns auf Facebook dazu gerne weitere Vorschläge machen!

Ronny

Über Ronny

Durch sein neues Auto kam Ronny im Jahr 2011 zu diesem Hobby und lernte über ein Forum, auf einem von Marvin Mieth organisiertem Workshop, schnell autoverrückte Leute kennen. Er traf sich immer wieder mit Gleichgesinnten, gründete in Dortmund einen Stammtisch und organisierte mit Freunden eigene Workshops, wo sogar schon einmal Christian Petzoldt vorbei kam und wertvolle Tipps gab. Neben seinem Hobby und Motto „Mehr Glanz ist nicht genug“ ist das Fotografieren eine weitere große Leidenschaft von Ronny. Mittlerweile lebt, poliert und fotografiert er im Norden und wird den Blog von Hamburg aus mit Berichten unterstützen.
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